Zeichnen. Warum liebe ich es so? Ich hab keine Ahnung; ich denk mal, ich kann damit Dinge zum Ausdruck bringen, die man mit Worten nicht beschreiben kann. Ein Bleistift und ein weißes Stück Papier bedeuten für mich Freiheit und Unabhängigkeit. Ich mein, damit fängt doch alles an, oder? Alles beginnt mit einer weißen Fläche voll nichts, die man so füllen kann, wie man gerade will. Ob man sie mit Schönheit füllt, oder mit etwas Groteskem, etwas Sinnlosem oder auch gerade deswegen Schönem, bleibt einem selbst überlassen. Man muss sich nicht an übliche Normen halten, man kann vollkommen man selbst sein. Und dabei ist es doch total egal, was im Endeffekt dabei herauskommt. Kritik von anderen braucht doch niemand, hauptsache es gefällt einem selbst. Kunst kann man doch sowieso nicht definieren, nicht wahr? Niemand kann sagen : "Genau DAS ist Kunst, und das nicht." Warum sollte man auch? Inmitten einer Welt voller festgelegter Dinge ist Kunst eines der wenigen Dinge, die unbefestigt sind, frei interpretierbar. Gerade genau deswegen strahlt sie eine unglaubliche Attraktivität für mich aus. Und genau deswegen hassse ich Kunstlehrer.
Da man als Schüler genau darauf bedacht ist, dass seine Arbeiten anderen gefallen um eine gute Note zu bekommen, neigt man leicht zum Verzicht auf Originalität und persönlichem Ausdruck; die Weiterentwicklung der bildlichen Vorstellungskraft und der Kreativität. Dies ist ein kritisches Stadium, bei dem viele stecken bleiben. 

Laut Betty Edwards, deren wirklich gutes Buch ich gerade lese, fängt das Zeichnen im Kindsalter an. Jedes Kind entwickelt seine eigenen "Symbole" für bestimmte Dinge, ein Kreis mit abstehenden Strichen ist die Sonne, ein Quadrat mit einem Dreieck darauf ist ein Haus. Schon dort, in diesem Alter entwickeln die Kinder eine Faszination fürs Zeichnen; die Vorstellung, sie selber erschaffen eine Linie, die sie selbst lenken können, mit der sie viele Dinge ausdrücken können! Damit öffnen sich fantastische neue Möglichkeiten! Die Anordnung der Elemente im Bild, die kindliche Naivität, der symbolische Ausdruck. Schon das ist Kunst. "Die Kritzeleien eines Kleinkindes lassen deutlich erkennen, wie sehr es sich den Empfindungen während der ziellosen Bewegungen seiner Hand hingibt, die mit dem Stift über die Zeichenfläche gleitet und dabei eine Linie hinterlässt. Schon allein dies muss ihm wie ein Zauber vorkommen" (Edward Hill). Leider passiert einige Jahre später etwas, das bestimmt jeder kennt, was auch mir zum Verhängnis geworden ist: Der Hang  zum Naturalismus überwiegt;  der Wunsch, die Zeichnung so genau wie möglich aussehen lassen zu wollen. Da dies nicht sofort gelingt, schmeißt man Papier und Stift weg und sagt "Ich kanns ja sowieso nicht". Gerade deshalb verlernen viele junge Menschen das Zeichnen und werden in der Zukunft zu Erwachsenen, die meinen , sie können eben von Natur aus nicht zeichnen. Das ist verdammt schade, denn später muss man es mühsam von Neuem erlernen. Nun frag ich mich, was passiert wäre, wenn ich nie eine Pause gemacht hätte. Diese geschätzten 5 Jahre, wenn ich da meine Lieblingsbeschäftigung weitergemacht hätte. Was wäre dann? Ich wär auf jeden Fall einen großen Schritt weiter, als ich es heute bin. Aber den Fehler mache ich nicht noch einmal.

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